Zukunftspreis 2006 Grußworte

Grußwort des Oberbürgermeisters

von Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Reiniger anlässlich der Preisverleihung der Israelstiftung an Frau Christina Rau

Donnerstag, 23. November 2006,
– Alte Synagoge Essen
 

Anrede, 

zu der heutigen Feierstunde überbringe ich Ihnen gern die herzlichen Grüße der Stadt Essen.

Wir freuen uns sehr, dass die Israelstiftung die ALTE SYNAGOGE Essen als Ort der erstmaligen Verleihung ihres Zukunftspreises ausgewählt hat. Ich empfinde es insbesondere als eine Auszeichnung dieses Hauses, der ALTEN SYNAGOGE. Die Alte Synagoge war einmal die Versammlungsstätte der Juden unserer Stadt. Viele von ihnen sind vor dem Terror der Nazis auch nach Palästina geflohen. Zu einigen von ihnen bestehen bis heute Kontakte, nicht zuletzt auch aufgrund der von der Stadt seit Jahren ausgerichteten Besuche ehemaliger Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens. Es ist schön zu wissen, dass sie regen Anteil nehmen an dem, was in der ALTEN SYNAGOGE an Arbeit heute geleistet wird.

Die Arbeit der ALTEN SYNAGOGE ist wichtig. Sie reicht über das Erinnern an das, was war und nie wieder sein darf, hinaus. Sie bereichert zugleich den politischen Diskurs in unserer Stadt. Und gelänge es uns, dieses Haus weiterzuentwickeln zu einem Haus der jüdischen Kultur, wie es konzipiert ist, stände das der künftigen Kulturhauptstadt gut zu Gesicht. Pläne gibt es, Pläne, die auch der viel zu früh verstorbene Paul Spiegel befürwortet hat. Wir hoffen, es gelingt, Förderer zu finden. Der vorliegende architektonische Gestaltungsentwurf ist überzeugend.

Meine Damen und Herren, 
der heutige Abend gibt mir zugleich Gelegenheit, meine Wertschätzung der vor einem Jahr gegründeten Israelstiftung in Deutschland zum Ausdruck zu bringen. Es ist wichtig, dass wir in unserem Land, in unserer Gesellschaft, die besondere Bedeutung enger und vertrauensvoller Beziehungen zu Israel und seinen Menschen hervorheben. Zum einen sind es – gerade aus deutscher Sicht – natürlich das historische Erbe und die daraus resultierende Verantwortung. Zum anderen aber – und dies ist ebenso wichtig – ist es das Wissen darum, dass wir mit Israel als westlicher Demokratie in der Region einen wichtigen strategischen Partner haben. Es liegt deshalb im wohlverstandenen Interesse der westlichen Welt, für Verständigung und Vertrauen im Verhältnis zu Israel zu werben.

Wenn die Israelstiftung in Deutschland Projekte und Initiativen auszeichnen will, die die besonderen Beziehungen zu Israel fördern, ist das eine sehr deutliche Botschaft. Den Initiatoren der Stiftung ist dafür sehr herzlich zu danken. Es ist überparteiliches bürgerschaftliches Engagement im besten Sinne, das sie auszeichnet.

Verehrte Frau Rau, 
Sie werden den ersten Zukunftspreis der Stiftung erhalten. Darüber freuen wir uns. Gemeinsam mit Ihrem Gatten, der leider auch viel zu früh von uns gegangen ist, haben Sie sehr viel dazu beigetragen, zwischen den beiden Völkern Wege der Begegnung und des Kennenlernens zu ebnen. Zu der verdienten Preisverleihung darf Ihnen auch im Namen der Stadt Essen sehr herzlich gratulieren.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Grusswort Ilan Mor

des Gesandten Ilan Mor der Israelischen Botschaft anlässlich der Preisverleihung der Israelstiftung an Frau Christina Rau

Donnerstag, 23. November 2006,
– Alte Synagoge Essen
 

Sehr geehrte Frau Rau, 
verehrte Gäste, liebe Freunde, Shalom! 
Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich als vierter Redner auf die vollständige Begrüßung der Ehrengäste verzichte. 
Meine Damen und Herren,

in den vergangenen Wochen waren die Tageszeitungen und Fernsehsendungen voll von Berichten, die Israel entweder als kriegstreiberisches Land darstellten, oder – schlimmer – die bange Frage aufwarfen, wie es wohl mit dem kleinen Land inmitten von Ländern, die ihm nicht gerade wohlgesonnen sind – um es gelinde auszudrücken – weitergehen soll. 
Beide Darstellungen sind gefährlich, weil sie nur einen Teil der Wahrheit widerspiegeln. 
Was mich immer wieder ärgert ist, mit welcher Selbstverständlichkeit Israel hierzulande im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt grundsätzlich von einem bestimmten Teil der öffentlichen und auch der veröffentlichten Meinung auf die Anklagebank gesetzt wird – wie jetzt erneut bei dem Konflikt im Libanon. 
Der Grund dafür ist, daß in Europa die Komplexität der Situation durch eine eindimensionale Brille gesehen wird. Und diese eindimensionale Sicht verfälscht das Gesamtbild.

  • Dabei werden Ursachen und Wirkung verwechselt;
  • Dabei wird vergessen, daß sich Israel in einem Kampf befindet, der dem Land aufgezwungen wurde;
  • Dabei wird vergessen, wer Israel diesen Krieg aufgezwungen hat: Eine Anzahl von Ländern und Terrororganisationen, die sich mit ihren Äußerungen und Taten bis heute weigern, Israel anzuerkennen und mit Israel über den Frieden zu verhandeln.

Doch noch immer sehen viele Europäer Israel als einen Störfaktor in den harmonischen Beziehungen mit der arabischen Welt und noch immer meinen viele, Israel sei in der Nahostregion eine Anomalie – ein Fremdkörper:

  • Ein Staat, den keiner seiner Nachbarstaaten akzeptiert (ausgenommen Ägypten und Jordanien) und der nur mit Hilfe der Vereinigten Staaten überleben kann.
  • Ein Staat, der zudem kulturell und politisch so völlig anders ist als seine Nachbarn: „Der wird sich vermutlich nicht lange halten können…“, heißt es, „…und irgendwann wie ein Fremdkörper abgestoßen werden.“.

Meine Damen und Herren, 
auch in Deutschland sind leider in den vergangenen Jahren bedauerliche und besorgniserregende Tendenzen im Hinblick auf die Wahrnehmung und die darausfolgende Einstellung der deutschen Öffentlichkeit gegenüber Israel zu registrieren. 
Das Ergebnis einer Meinungsumfrage der Europäischen Union vom Oktober 2003 war und bleibt in diesem Zusammenhang bis heute ein Warnsignal. Auf die Frage, welcher Staat die größte Bedrohung für den Weltfrieden darstellt, setzten 65 % der deutschen Befragten Israel an die erste Stelle. Also nicht den Iran, nicht Nord-Korea, sondern ausgerechnet Israel, dessen Existenzrecht eine Säule der deutschen Aussenpolitik ist.

Laut einer Umfrage der Bielefelder Universität von 2004 glauben 52 % der Deutschen, daß das Vorgehen Israels gegenüber den Palästinensern mit dem Vorgehen der Nationalsozialisten gegenüber den Juden zu vergleichen ist. 68 % denken, daß Israel einen „Vernichtungskrieg“ gegen die Palästinenser führt…

Noch ein Beispiel für eine durch die falsche Brille verzerrte Sicht zeigt sich in den Ergebnissen einer Umfrage des „Spiegel“: 
Als der Krieg, der am 12.7.2006 begann, gerade sechs Tage gedauert hatte, waren fast zwei Drittel der Deutschen der Ansicht, Israel habe – ich zitiere – „kein Recht, die Angriffe der radikalislamischen Hisbollah auszuschalten“. Fast drei Viertel meinten, Israel müsse die Angriffe auf seine Städte hinnehmen, ohne in ähnlicher Form darauf zu reagieren.

Ist das der unbewusste Wunsch, der Judenstaat möge sich selbst zum Opfer machen, das kein Recht zur Selbstverteidigung hat? Da bleibt nur zu hoffen, daß die oben genannten Prozentzahlen falsch sind! Bertolt Brecht hat gesagt: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Meine Damen und Herren, 
Angesichts dieser und anderer für Israel bedrohlichen Entwicklungen bin ich der Meinung, daß es für Teile der deutschen Zivilgesellschaft an der Zeit ist, in die Offensive zu gehen. Diejenigen, denen Israel am Herzen liegt, müssen sich jenseits der konventionellen und bekannten Wege für Israel engagieren und noch aktiver werden.

Die Gründung einer Israelstiftung ist ein Paradebeispiel für ein solches Engagement.

  • Eine Stiftung, die sich für eine wahrheitsgemäße Darstellung der israelischen Realität einsetzt und entsprechende Projekte unterstützt.
  • Eine Stiftung, die diese Realität nicht länger zu einem dauerhaften Ärgernis erklärt, sondern als dauerhafte Chance begreift.

Israel soll nicht auf ein Land des Terrors, des Blutvergießens und der Gewalt reduziert werden – doch leider besteht die große Gefahr, daß ausgerechnet dieses Bild in den Köpfen und Herzen der Menschen Bestand haben wird. Aber Sie, meine Damen und Herren, wissen, daß wir während unserer ganzen Geschichte – als andere erwarteten, daß wir in der Dunkelheit aufgaben und verzweifelten – immer durch das Wunder des Lichtes geleitet worden sind. Dort, wo andere nur Wüste und Sand gesehen haben, sahen wir fruchtbare Felder und ein Land voller Leben, Hoffnung und Möglichkeiten.

Sie – liebe Freunde – muss ich nicht überzeugen. Deshalb freut es mich besonders, daß im vergangenen Jahr ein größerer Freundeskreis in Münster die „Israelstiftung“ in Deutschland ins Leben gerufen hat. Wir wünschen uns Menschen, die in diesen Zeiten sagen: „Jetzt erst recht“ und die Initiative ergreifen. Und damit meine ich SIE!

Diese Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, Initiativen und Projekte auszuzeichnen, die die besonderen Beziehungen zu Israel und seinen Bürgern pflegen und unterstützen. 
Im vergangenen Jahr konnten wir die 40jährigen diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel begehen. Diese Beziehungen sind keineswegs selbstverständlich, dessen sind sich die Mitbegründer dieser Stiftung bewußt und genau deshalb möchten sie sich für eine lebendige Partnerschaft engagieren. Sie möchte zwischen unseren beiden Ländern und Völkern neue Brücken bauen, um die Leitgedanken der Gründergeneration weiterzuführen und vor allem auch weiterzuleben.

Die Stiftung möchte Menschen in Deutschland dazu anregen, sich für das Erinnern zu engagieren. Um für diese Aufgabe gewappnet zu sein, muß man die eigene Geschichte kennen und sich mit ihr auseinandersetzen. Insbesondere die jungen Menschen sind dazu aufgefordert.

Zu den Menschen, die sich um die besonderen deutsch-israelischen Beziehungen sehr verdient gemacht haben, gehören Sie, verehrte Frau Rau. Dabei sind Sie eine tatkräftige, wenngleich stille Vermittlerin. Ungern stehen Sie im Rampenlicht und stellen das Rampenlicht, das Ihnen gebührt, lieber anderen zur Verfügung. Sie haben sich an der Seite Ihres – inzwischen leider verstorbenen – Gatten für Israel eingesetzt und sind entschlossen, diese Aufgabe fortzuführen.

Die folgenden Gedanken habe ich Johannes Rau selbst mitteilen können: 
Als ich ein Jugendlicher war, war Johannes Rau für mich Deutschland, das neue andere Deutschland, das er mit seiner Israelliebe, mit seinem Engagement verkörpert hat. 
Im tiefsten Sinne des Wortes, war er ein Freund Israels.

Ich werde ihn nie vergessen – meine Generation wird ihn nie vergessen. 
Und wir werden alles daran setzen, daß ihn auch die nachfolgende Generation nicht vergißt. Verehrte Frau Rau, es freut mich sehr, daß Sie die erste Preisträgerin des „Zukunftspreises der Israelstiftung“ sind.

Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu dieser Auszeichnung und ein bisschen hoffe ich natürlich auch, daß dieser Preis ein weiterer Ansporn für Ihr von uns sehr geschätztes Engagement für Israel ist.

Herrn Gerster, Herrn Krumsiek und Dir, Karl-Heinz – auch im Namen des Staates Israel herzlichen Dank für diese Initiative.

Shalom!

– Es gilt das gesprochene Wort –